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5 o´clock tea auf Madeira

"Sir ??!".
Ein leiser Ruf wie Donnerhall. Dazu dieser amüsiert-pikierte Blick von halb oben, die dezent angehobene Augenbraue über der Goldrandbrille - mühelos beherrscht die jungen Dame im dunkelblauen Kostüm das ganze Repertoire britischer Blasiertheit, das man an diesem Ort zu dieser Stunde zum Preis von 19 Euro 75 ja wohl auch erwarten darf. Five o'clock tea im "Reid's Palace", Funchals Schmuckstück von 1891: Dezente Klaviermusik zwischen schwarzen Marmorsäulen und weißem Stuck, weiße Orchideen, ältere Ehepaare, die sich mürrisch anschweigen oder liebevoll betrachten - da könnte ja jeder kommen, sich einfach in den nächstbesten Sessel an der Fensterfront fallenlassen und den Ausblick über die zerstiebenden Brecher tief unten genießen. Hier wird man, versteht sich, nach angemessener Wartezeit, plaziert. Und als Nicht-Hotelgast, versteht sich auch, eher in zweiter oder dritter Reihe. Was tut's! Der Tee im Wedgewood-Porzellan zieht an allen Tischen zu lang, die Gurkensandwiches von der silbernen Etagere pappen überall am Gaumen, der Früchtekuchen krümelt, die Obsttörtchen kleben: Alles ist bestens, alles, wie es zu sein hat, in einer der wenigen verbliebenen Weihestätten des Empire, alles so, wie es vermutlich schon war, als George Bernhard Shaw in den zwanziger Jahren oder Winston Churchill 1950 Orangenmarmelade auf ihre zerbröselnden Scones schmierten.“

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