Auf der "Historischen Route" durch das nördliche Äthiopien
„Bleibt noch die letzte zögernde Überlegung potentieller Äthiopien-Besucher: Darf man das, als vergleichsweise reicher Westeuropäer in ein Land fahren, das einem seit Jahren nur als Hungerzone, Kriegsregion oder Dürregebiet nahegebracht wird? Oder ist das reiner Zynismus?
Man darf. Und man wird, während man durch das Land reist, sehr bald ein paar einfache Fakten lernen: Es herrscht keinesfalls dauernd und überall Hunger in Äthiopien - auch wenn zehn Prozent der Bevölkerung als "strukturell unterernährt" gelten. Weite Teile des Landes sind fruchtbar, und es gibt auch genügend Wasser. Dessen Speicherung und Verteilung über große Entfernungen ist freilich das Problem. Und also entstehen Hungersnöte: Schon lange in unschöner Regelmäßigkeit, wenn in bestimmten Gebieten der Regen ausbleibt. Verstärkt, weil sich die Einwohnerzahl Äthiopiens während der letzten zwanzig Jahre fast verdoppelt hat.
Dieses Wissen immunisiert den Reisenden freilich nicht gegen das Leid. Wie eingestaubte Lumpenbündel sitzen alte Menschen im Schatten der Eukalyptusbäume von Lalibela, die schorfigen Hände ausgestreckt, ohne Ende "Christos, Christos" murmelnd. Die Reise hierher, für orthodoxe Christen gleichbedeutend mit einer Pilgerfahrt nach Jerusalem, war der letzte Wunsch, den sie sich erfüllten. Für die Rückreise zu schwach oder zu arm, fristen sie ihre letzten Tage von Almosen.“
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