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Klaus Bednarz "Das Kreuz des Nordens – Reise durch Karelien"

Es ist so etwas wie ein Mediengesetz: Alle drei, vier Jahre wieder, pünktlich zu Sylvester, erscheint "der neue Bednarz": Die zwei- oder dreiteilige Reportage im Ersten, der Mann selbst in diversen Talkshows und das Buch zur Sendung auf den Bestsellerlisten.

Diesmal hat es den einstigen WDR-Reporter und sein Team nach Karelien verschlagen, jenes Gebiet von der Größe Deutschlands, das zu 90 Prozent zu Russland und zu zehn Prozent zu Finnland gehört, eine Region, die von 60 000 Seen, dem größten Waldgebiet Europas und "vielen, vielen Kreuzen" geprägt ist. Sie erinnern an die Toten der beiden finnisch-russischen Kriege, an die 30 000 Menschen, die beim Bau des Weißmeerkanals starben, und an die Opfer des Gulag-Lagers auf den Solowki-Inseln.

Mittlerweile weiß der Leser, was er von Bednarz erwarten kann: Schnörkellose, an Personen orientierte Berichterstattung. Der Reporter befragt Forscher, Mönche und Rentierzüchter, er besucht ein Treffen der Wepsen, eines Volkes von gerade noch mal 8000 Angehörigen weltweit und lässt sich beim Dorf Kalevala, wo der Arzt Elias Lönnrot die Verse des finnischen Nationalepos aufschrieb, von der 80jährigen Helena Reikina karelische Lieder vorsingen. Das alles wird nüchtern nacherzählt, mit Hintergrund angereichert und untermauert mit langen Interview-Zitaten - ohne einen Versuch literarischer Verdichtung. Im Grunde sind Bednarz` Bücher abgeschriebenes Fernsehen.

Das neue Werk aber ist vor allem ein Fotoband. Der Text macht lediglich ein Fünftel der 250 Seiten aus, den Rest füllen die stimmungsvollen Bilder von Gabi Mühlenbrock.
Es ist ein elegisches Buch, das von sterbenden Dörfern und verstreuten Völkern handelt, von schönen Sonnenuntergängen und besinnungslos abgeholzten Wäldern, von Birken und Seen, Alkohol und Armut - das Dokument einer Welt im Moment ihres Verschwindens.

Klaus Bednarz "Das Kreuz des Nordens - Reise durch Karelien", Rowohlt 2007


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