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Völklinger Hütte – Industriekultur im Saarland

„Doch zurück nach Völklingen. Manfred Scheib hat seine Gruppe inzwischen zu den Hochöfen geführt, mitten hinein in ein gigantisches Ensemble. Hier rosten die Saurier des Industriezeitalters vor sich hin, High-Tech vom Ende des 19. Jahrhunderts: Ein Gewirr aus Kesseln, Gleisen und Schornsteinen, in allen Braun- und Rottönen, nur zwei einsame schwefelgelbe Tuben setzen Kontrapunkte. Ein Aderwerk aus Röhren verbindet die eisernen Organe, ein schiefes Gitter aus Verstrebungen - der Erzschrägaufzug - schiebt sich dazwischen hoch, graue Verteilerkästen, Ziegelbögen und ein quaderförmiger Wasserspeicher besetzen die Zwischenräume. Und mitten im eisernen Durcheinander klammert sich eine kleine Birke ins zerfallende Mauerwerk. Stille liegt über der einst dröhnenden Eisenstadt, nur ein paar Wachschutzleute bearbeiten gelangweilt ihren Kaugummi.
Hochofen vier erinnert an ein gewaltiges Fass aus Ziegeln, das von Eisenbändern zusammengehalten wird. Eine Treppe führt 30 Meter nach oben auf die "Gichtbühne". Hier fütterten die Männer die Öfen mit Koks und Erz, und Manfred Scheib erzählt von den gewaltigen Temperaturwechseln, denen sie ausgesetzt waren, vom Rheuma, das im Lohn mitinbegriffen war, und von den Fackeln, deren Flackern den Arbeitern Gefahr signalisieren sollte: Gas tritt aus, Leute! Kohlenmonoxid-Alarm!
Überhaupt, der Dreck: 28 Tonnen Staub und Schlimmeres paffte der 108 Meter hohe Schornstein in 24 Stunden in die Luft. "Die Autos mussten wir mit verdünnter Ameisensäure putzen. Später wurde ein Elektrofilter eingebaut, aber komischerweise funktionierte der nachts nie. Wir hatten Arbeit und viel Dreck. Heute reden wir von Bad Völklingen und haben keine Arbeit mehr."

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