Startseite
Frisch in Arbeit
Die taz-Kolumne
Blätterwald
Weltweit
Fundstück
Buch & Beifall
Post

Mehr unter Frisch in Arbeit.
Rezensionen unter Buch & Beifall - Gut gefunden
Andrea Jeska "Vom Bild der Welt"

Ein Buch wie eine linke Gerade. Man läuft hinein, kriegt was ab, weiß gar nicht wie, und taumelt. Die Geschichte vom Zerbrechen der Liebe zwischen der Entwicklungshelferin Johanna Uthgenannt, und ihrem Mann, dem smarten Anwalt Götz, ist eine fulminante Absage an Mittelmäßigkeit und Kompromisse. Sie konfrontiert den Leser mit seinen eigenen Ansprüchen und Lebenszielen - und mit Teilen der Welt, von denen die meisten lieber nicht täglich wissen möchten, was dort gerade geschieht.

Sie muss reisen, die Frau mit dem "Bärenhunger nach Leben",
es hält sie nicht in der norddeutschen Zweisamkeits-Idylle. Immer wieder zieht es sie hinaus in die Welt, abseits der Touristenströme, dahin, wo Krieg und Elend regieren: Nach Afrika, Afghanistan, in den Kaukasus.
Er schätzt sein geregeltes Leben und versteht sie nicht. Einmal überredet sie ihn, mitzukommen. Kalte Nächte in ihrem geliebten Georgien, Folterbetten, zuviel Wodka bei üppigen Gelagen. Er kapituliert. "Man kann nicht sein, was man nicht ist". Sie reist. Er bleibt zurück. Lichtjahre liegen dazwischen, wie sie das Wort "Verantwortung" definieren.

Andrea Jeska, selbst hochgelobte Berichterstatterin aus Krisenregionen, erzählt auf zwei Ebenen. Detailliert seziert sie, wie die beiden sich die Haut von den Knochen schneiden und Male in die Seele ätzen. Einfühlsam und auch im Grauenvollen genau lässt sie Johanna aus afghanischen und tschetschenischen Flüchtlingslagern erzählen und zwingt den Leser geradezu zum Hinsehen und Zuhören. Wen wundert da ihre Entfremdung noch? Wer erfährt, was sie erfahren hat, kehrt nicht einfach zu Schuhkäufen und Weinverkostungen zurück.

Könnte trotzdem Kitsch sein, das alles. Aber Jeska findet mit kurzen, oft unvollständigen Sätzen und wenigen, dann aber bestechenden Bildern den richtigen Ton für die Zerrissenheit der beiden. Und legt als Grundklang darunter Johannas Verstörung angesichts der Unübersichtlichkeit der Konflikte. Und ihren Schmerz, dass die Welt so ist, wie sie ist. Und sie so wenig tun kann, sie zu ändern.

Das Buch handelt vom Reisen und von der Liebe. Aber es ist kein Reisebuch und kein üblicher Liebesroman. Es ist viel wichtiger, es ist ein Blicköffner. Einfühlsam, schmerzhaft, beklemmend. Und leidenschaftlich sowieso.


Andrea Jeska "Vom Bild der Welt", Brendow Verlag 2006

- zurück -