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Thomas Kohnstamm - "Die absolut ehrlichen und völlig schamlosen Bekenntnisse eines professionellen Reiseführer-Autors"

Er ist ein versoffener, selbstverliebter, leicht durchgeknallter Aushilfsjobber an der Wall Street, aber er hat einen gelungenen Sprachführer zu Costa Rica verfasst und das prädestiniert ihn in den Augen der Lektorin von Lonely Planet, der Bibel aller Alternativtouristen, nun einen Reiseführer über den Nordosten Brasiliens zu schreiben.

Energisch macht Thomas Kohnstamm sich an die Arbeit: Etwas Großes will er schaffen, gar "der dritten Welt etwas Gutes tun".
Und er klemmt sich, nach langen Anlaufschwierigkeiten, für kurze Zeit auch richtig dahinter: Besichtigt Hotels, sucht neue Restaurants, kopiert Busfahrpläne, läuft sich die Hacken ab. Und müht sich, in kürzester Zeit die Atmosphäre eines Ortes zu erfassen.

Schön und gut - aber das rechnet sich nicht, stellt er bald fest: Zu klein ist das Budget, zu nah der Abgabetermin, schier unendlich die Arbeit. Und nicht zuletzt steht er sich immer wieder selbst im Wege: Viel Lust auf Party, wenig Bock auf Maloche.

Von Hotelbesitzern und in Intenetforen erfährt er, wie manche Kollegen arbeiten. Und bald macht er es genauso: Erfindet Geschichten. Übernimmt Tipps. Lässt sich einladen und weiterreichen. Beurteilt Strände, Bars und Städte, ohne sie je gesehen zu haben.

Es ist ein offenes Buch über die bekannten Zwänge der Branche. Und der 34-jährige beschmutzt nicht nur das Nest. Er kackt es richtiggehend voll. Das ist spannend und aufklärerisch - aber auf dem Großteil der 300 Seiten handelt er dann doch eher durchsoffene Nächte, One-night-stands, Drogenschmuggel und Backpackerklatsch ab.

Kohnstamms Fazit als Reisebuchautor ist ernüchternd: "Der Unterschied zwischen reisen und darüber schreiben, ist wie Sex haben und in der Pornoindustrie arbeiten."

Dass dies nicht nur mit ökonomischer Ausbeutung durch die Verlage, sondern auch mit seiner eigenen Haltung zu tun haben könnte, kommt ihm nicht in den Sinn.

Thomas Kohnstamm "Die absolut ehrlichen und völlig schamlosen Bekenntnisse eines professionellen Reiseführer-Autors", Malik 2009

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