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Wolfgang Geisthövel "Reisen in Uwe Johnsons Mecklenburg"

Das Buch kommt gerade zur rechten Zeit. Noch nicht lange her, dass die opulente Verfilmung von Uwe Johnsons "Jahrestage" über den Bildschirm lief. Und mancher Zuschauer mag dabei gedacht haben: Warum nicht mal selber sehen, wo Gesine Cresspahl zuhause war? Und ihr Autor auch.

Wolfgang Geisthövel macht es ihm vor. Er klettert auf den Dachboden der Schmiede in Recknitz, in der Johnson als Junge Bücher verschlang, sucht bei Malchow das Rittergut, auf dem Heinrich Cresspahl geboren sein könnte und lässt im Boot auf dem Malchower See die Landschaften der "Jahrestage" an sich vorbeiziehen. In Güstrow, "an dem unverändert alles versammelt ist, was Johnson zu glücklichen Erinnerungen Anlaß gegeben hatte", besucht er die Schule des Schriftstellers, Klassenzimmer 207, Ernst Barlachs Haus auf dem Inselsee und dessen berühmten Engel in der Kirche, Kopie der Kopie, bestaunt von der Oberschülerin Cresspahl im Jahre 1951.

Er reist nach Waren, wo ihr Großvater in den Kapp-Putsch verwickelt war, fährt mit der Bahn von Fürstenberg über Ravensbrück nach Lychen und macht den Leser quasi im Vorbeigehen auch mit anderen Größen der Gegend bekannt: Barlach, Schliemann, Voss, Wossidlo.

Ein belesener Autor, elegantes, klischeefreies Deutsch, unverbrauchte Bilder und ein getragener Ton - das ist gepflegtes, klassisches Reisefeuilleton. Im Flirren des Schilfs, dem Plätschern der Wellen und der Kühle der Feldsteinkirchen gelingt es Geisthövel auch hervorragend, den Zauber der Landschaft einzufangen. Über den Bildern der Gegenwart aber, die er durchaus aufnimmt, scheint eine seltsame Patina zu liegen: Als wären die Orte während der letzten fünfzig Jahre nur älter geworden. Aber gar nicht so viel anders.

Wer Landschaften liebt und Sätze nicht scheut, die sich über mehr als drei Zeilen erstrecken, wird dieses kluge, stille Buch, wie heißt es doch im klassischen Rezensionsfeuilleton, "mit Gewinn lesen". Und mit Genuss obendrein.

Wolfgang Geisthövel "Reisen in Uwe Johnsons Mecklenburg" Hinstorff 2001


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