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Wolfgang F. Fischer "Bernsteinspuren"

Einer pfeift seinem Hund und zieht los. Drei Wochen stapfen die beiden an der Ostsee entlang, 130 Kilometer, von Rostock bis Ahlbeck, wo Polen beginnt.
Der Mann ist ein Sammler. Alles, was die Küste bereithält, packt er ein: Donnerkeile, Hühnergötter, Bernsteinsplitter - und Geschichten. Gerade davon findet er reichlich.

Denn die Ostseeküste, das war einst sein Revier. In Rostock hat er Meeresbiologie studiert, vor Warnemünde nach Wracks getaucht, im Darßwald als Naturschützer gearbeitet.

Und also erzählt er, während er Zingst, Hiddensee und Rügen umrundet: Von den Strandräubern von Prerow, dem "Inselfürsten" Gerhard Hauptmann, vom Sanddornmelken, der freien Liebe zu DDR-Zeiten und der "rauhbeinigen Freiheit", die im Fischkombinat in Marienehe herrschte: "Das Tor zur Welt hatte einen typischen Geruch: streng und tranig."

Er steht, da lässt er keine Zweifel, stets auf Seiten der Natur: Der Coup, mit dem es den ostdeutschen Naturschützern gelang, kurz vor der Vereinigung noch 14 Landschaften unter Schutz stellen zu lassen, begeistert ihn auch zehn Jahre danach. Trotzdem lässt er Leute zu Wort kommen, die Nationalparks lieber heute als morgen zubetonieren würden. Und versteckt auch nicht eine gewisse Verwunderung, dass die Kollegen Umweltschützer es sich ausgerechnet an den schönsten Plätzen in den Schutzgebieten gemütlich gemacht haben.

Er schläft am Strand und bei Vermietern, speist stilgetreu Soljanka, Pelmeni, Labskaus, und staunt, wie sich "der teure Darß, das luxuriöse Fischland, das exklusive Zingst" herausgemacht haben. Nicht alles, was er sieht, gefällt ihm. Nicht alles lehnt er ab.

Im Kopf die verblassten Bilder von gestern, vor Augen die polarisierenden von heute - es wird eine sehr persönliche Reise. Doch die eingestreuten Exkurse über Ostsee-Typisches - Vineta etwa, Bernstein, Magerrasen, Seebrücken, Strandkörbe - machen seinen Bericht trotzdem zu einem Buch mit hohem Gebrauchswert: eine Art Mini-Kompendium der Ostseeküste gewissermaßen.

Ein Foto zeigt den 60-jährigen mit Seemannstroyer, Rauschebart und skeptischem Blick in die Welt. Ein bärbeißiger Kerl, denkt der Leser. Polterig vermutlich, eigensinnig - aber mit ganzem Herzen bei der Sache. Genauso ist sein Buch.

Wolfgang F. Fischer "Bernsteinspuren"
Verlag Die Hanse 2000


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